Buchrezensionen, Rezensionen

Gert Gröning und Stefanie Hennecke (Hg.): Kunst - Garten - Kultur, Reimer Verlag 2010

Ein kreativer Kreis von WissenschaftlerInnen des Fachgebietes Gartenkultur und Freiraumentwicklung der Berliner Universität der Künste gibt die auf einer Tagung im Sommer 2009 unter dem Thema Gartenkultur und Gartenkunst gehaltenen Beiträge zum universellen Forschen von 1985 bis 2009 als Sammel-Band heraus: Eine Gartenkultur- und Gartenkunstgeschichte feinster Art. Anne Schäfer-Junker hat das Buch mit äußerstem Vergnügen gelesen.

Gröning/Hennecke (Hg.) © Cover Reimer Verlag
Gröning/Hennecke (Hg.) © Cover Reimer Verlag

Vergänglichkeit und Schönheit, ein Liebespaar mit luzide-produktiver Aura, scheint uns, wie die Musen durch die Künste, durch alles Blühende und Verblühende zu führen, wenn wir uns aus unterschiedlichsten Motiven der Gartenkunst widmen. Eine Unzahl von Garten-Instituten und verschiedensten Garten-Vereinen zur Gartenkultur weltweit macht das Ganze zunächst sehr unübersichtlich, verbreitet aber bei näherer Betrachtung den Hauch dessen, was an Vergänglichem durch Naturerlebnis und wissenschaftlicher Erforschung zum Bleibenden in der Wissenschaft erhoben werden soll oder erhoben wird.

Mit dem Einführungsbeitrag »Perspektiven gartenkultureller Forschung zu Beginn des 21. Jahrhunderts«, AutorInnen: Gert Gröning und Stefanie Hennecke, enthält das Buch 16 ausgesprochen amüsant zu lesende AutorInnenbeiträge zu unterschiedlichen Aspekten und mit weltweiten Beispielen gartenkultureller Forschung bzw. Objekte. Die erstaunlich breit angelegten Themenfelder mit vielen Bezügen zu existierenden Gartenlandschaften machen deutlich, wie nachdrücklich, ja nachhaltig, das Leben der vergangenen Jahrhunderte und unser eigenes Leben unreflektiert in Beziehung zu Gartenkulturen als Lebenslandschaften stehen. Diesen "blinden Fleck" unserer intelligenten Wahrnehmung beseitigt diese Veröffentlichung auf die angenehmste und radikalste Art.

Die Schwerpunkte des Buches, denen sich die einzelnen AutorInnenbeiträge zuordnen lassen und die so lesenswert sind, daß sich die geneigte Leserschaft hoffentlich zahlreich einfinden möge - gern auch im eigenen Garten, der dann als besonders wertvoll empfunden werden könnte, auch ob seiner Vergänglichkeit und verwandelten Wiederkehr im nächsten Jahr: Forschung zur Gartenkunst, Die Musikalisierung des Gartens, Der Kunst-Garten, Der veröffentliche private Garten, Politisierte Garten-Landschaften.

Der Zeitraum 1985 bis 2009 ist die Amtszeit von Univ. Prof. a.D. Dr.rer.hort.habil. Gert Gröning
an der Universität der Künste. Aus Anlass des Abschiedes als Fachgebietsleiter für Gartenkultur und Freiraumentwicklung mündeten die Tagungsbeiträge der Sommer-2009-Tagung in einen Sammel-Band. Die generelle Einordnung des Themas und die damit verbundenen Fragestellungen aus universitärer Sicht erfolgt durch die AutorInnen gleich auf der ersten Druckseite: »Die kulturelle Tradition der Freiraumentwicklung vom privat genutzten Selbstversorgergarten über weitläufige, öffentlich zugängliche Parkanlagen bis zu regionalen Freiraumkonzeptionen ist Gegenstand der Kunst- und Kulturgeschichte, der Sozial- und Politikwissenschaft und anderer wissenschaftlicher Disziplinen. Dabei werden die Gärten einerseits spezifischer Betrachtung unterzogen und bieten andererseits fruchtbare Anknüpfungspunkte für den Austausch über disziplinäre Grenzen hinweg. Zahlreiche wissenschaftliche Konferenzen und Publikationen der letzten Jahre alleine im deutschen Sprachraum zeigen, wie relevant gartenkulturelle Forschung für ein breites interdisziplinäres Feld ist«.

» Der Garten ist Kunst und Natur, doch ist sein Charakteristikum die Künstlichkeit, so könnte man den roten Faden der hier an einigen Beispielen vorgetragenen Argumentation zusammenfassen. Die Künstlichkeit des Gartens wird dabei als Motiv einer zivilisationskritischen Haltung sichtbar« - so die Orientierung im Einführungsbeitrag zu diesem Sammelband, dessen Zustandekommen zahlreichen Beteiligten, besonders dem Zentrum für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur (CGL) der Leibniz Universität Hannover, und der Universität der Künste mit ihrem Rektor sowie dem Reimer Verlag zu danken ist. Bibliographische Angaben, Bio-Bibliographien und Archivalienverzeichnisse sorgen nicht nur für ein breitgefächertes Literaturangebot "im Hintergrund", sondern das Quellenmaterial gartenkultureller Forschung wird ausführlich dargestellt.

So auch im Beitrag von Uwe Schneider (alle AutorInnenbeiträge werden am Ende dieser Rezension mit ihrem Titel genannt, ohne das hier einzeln auf sie eingegangen werden kann). Damit benennt Schneider ein Desiderat der Forschung und verdeutlicht: »Was in anderen Fachgebieten seit Jahrzehnten als geläufige und unverzichtbare Arbeitsgrundlage dient,..., fehlte im Fachgebiet der Gartenkultur vielfach. Diese Dinge zählen eher zu den Kärnerarbeiten des Faches und sind aufgrund des hohen Zeitaufwandes und der wenig spektakulären Ergebnisse im Allgemeinen wenig attraktiv«. Schneider nimmt dann auch m. E. erfolgreich eine Begriffsbestimmung von Gartenkultur und Gartenkunst durch allseitige Vergleichsmöglichkeiten und Methodendarstellung vor. Bezugnehmend auf die Philosophin Mara Miller/The garden as an art, N.Y. 1993, schreibt Schneider: »Ihre Arbeit eröffnet gleichwohl eine Perspektive auf den langwierigen und widerspruchsvollen Prozess der Etablierung verbindlicher Vorstellungen von Gartenkunst als Gattung im System der Künste. Zweifelsohne wurden Gärten seit dem 16. Jahrhundert als Orte und partiell auch als Werke der bildenden Kunst angesehen, doch mangelte es zu ihrer Bewertung an einem prägnanten und kunsttheoretisch begründeten (auch begründbarem) Vokabular sowie an Regelwerken, über welche die drei institutionell anerkannten Gattungen - Malerei, Bildhauerei, Architektur - längst verfügten«.

Mit diesem Mangel räumt dieses Buch weitgehend auf, ohne elitär zu wirken und ohne der Leserschaft die Relativität des Themas klein zu reden. Die Themen der AutorInnenbeiträge sind:
• Das Jardineske in der Literatur (Sigrid Thielking, Hannover)
• Community Gardens in New York City (Carolin Mees, Berlin)
• Der Wiederaufbau des Yiheyuan (Bianca Maria Rinaldi, Graz)
• Gärten als Kunstwerke in den 1990er Jahren (Jessica Ullrich, Berlin)
• Das prasialogische Buffet - Kulinarische Gartenkunst (Anastassia Bichàn, Berlin)
• Spielräume der Musik in Los Angeles (Annette Richards / David Yearsley, New York)
• Quellenmaterial in der gartenkulturellen Forschung (Uwe Schneider, Berlin)
• Überlegungen zu zeitgenössischen Trends im Garten-Design (Annette Geiger, Bremen)
• Das Waldfreibad Steinbachtalsperre der 1930er Jahre in der Eifel (Gundula Lang, Pulheim/Köln)
• Die Gartenkunst im System der frühneuzeitlichen Künste (Stefan Schweizer, Düsseldorf)
• Raumformeln in den französischen Tanz- und Gartenkünsten (Olivier Perrier, Lyon)
• Die Äolsharfe als Instrument zur Musikalisierung des Gartens (Martin Ullrich, Nürnberg)
• Gärten und Landschaftsarchitektur im Comic (Joachim Wolschke-Bulmahn, Hannover)
• Landschaftsgestaltung der völkischen Moderne (Johanna Söhnigen / Rainer Schmitz, Berlin)
• Der Blick von oben: Entdeckte und versteckte Landschaft (Sonja Dümpelmann, Maryland)

Eine besonders vergnügliche Angelegenheit beim Lesen war mir die Beschreibung des Prasiologischen Buffets, das die Autorin Anastassia Bichàn als Zubereitung eines "gärtnerischen Essens" in Form von kulinarischen Gärten für den scheidenden Lehramtsinhaber physisch wirklich zubereitete und das sie - ohne Übertreibung - in kräftige Schweißausbrüche versetzt haben dürfte. Sie orientierte sich an der Gröningschen Definition der Prasiologie als »kulturhistorisch orientierte Lehre von den Gartenelementen als Entwurfsgrundlage« und zauberte Speisen »in Gestalt zweier unterschiedlicher Gärten. Mein Prasiologisches Buffet sollte zwei im europäischen Kulturraum gängige Gartenstile repräsentieren: den geometrischen, der üblicherweise als "französisch" konnotiert wird, und den frei geformten, der häufig als "englisch" bezeichnet wird. Die beiden Gartenstile schienen mir so bekannt und hinreichend eindeutig, um in verständlicher Weise eine kulinarische Abstrahierung zu erlauben«. Die Skizzen und Erläuterungen der Autorin überschreiten experimentell künstlerische Gattungsgrenzen. Gartenkunst wird auf Kochkunst übertragen. Dieses äußerst zeitbefristete Experiment zu genießen macht schon beim Lesen solchen Spaß, so dass ich gern dabei gewesen wäre.

Ein kurzer Hinweis auf Sigrid Thielkings Beitrag »Das Jardineske in der Literatur« sei noch gestattet, der ebenso wie Joachim Wolschke-Bulmahns Beitrag »Gärten und Landschaftsarchitektur im Comic«, oder Martin Ullrichs »Die Äolsharfe als Instrument zur Musikalisierung des Gartens«, von grundsätzlicher Bedeutung für unsere heutige medial-künstlerisch reflektierende Wahrnehmung in einer bilderüberfluteten Gesellschaft sein dürfte. Thielkings Beitrag verweist auf den Umstand, dass oftmals zum Scheitern verurteilte Bemühungen von GartengestalterInnen zur Steigerung des eigenen Ruhmes eine ganze Landschaft zu verschönern ein oft verwandtes literarisches Motiv ist. »In satirischer Form legt es die Hybris und bisweilen auch die Lächerlichkeit menschlicher Versuche offen, gestaltend die Natur zu übertreffen«. Die nahezu unendlichen und immer wieder überraschenden Kombinationen zwischen Literatur und Gartenkultur böten wohl auch der Universität der Künste Stoff für weitere Diskurse.

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